Nachruf auf Jan Madsen

Jan Madsen verstorben (1964-2023)

Jan Madsen, seit einigen Monaten Mitglied im Flensburger Schachklub, ist am Pfingstwochenende im Krankenhaus in Sonderborg verstorben.

Allen, die ihn kannten, blieben seine großen gesundheitlichen Probleme nicht verborgen. Diese verschlimmerten sich in den letzten Wochen und Monaten in drastischer Art und Weise.

Der Mut, die Entschlossenheit und Kampfkraft, die er in der Auseinandersetzung mit seiner Erkrankung an den Tag legte aber auch die Fähigkeit, ,, auf dem Vulkan zu tanzen“ prägten nicht nur seinen Charakter, sondern vor allem seinen Spielstil. Eine Rücksichtslosigkeit sich selbst gegenüber spiegelte sich auf den 64 Feldern. Die Stellungen waren in ihrer Komplexität mit unzähligen hängenden Figuren nicht nur für den Gegner, sondern auch für ihn eine ,,Zumutung“.

Jan gelang es regelmäßig in scheinbar aussichtslosen Stellungen, seinen Gegnern Aufgaben zu stellen, an denen diese sehr häufig scheitern mussten. Seine taktische Schlagkraft in seinen besten Jahren als Spieler war legendär. Ebenso seine Kreativität: Vor dem Aufkommen großer elektronischer Datenbanken entwickelte er unorthodoxe Eröffnungskonzepte, die einer heutigen Engine-Analyse nicht standhalten würden, die seine Gegner aber auf Pfade führten, an denen es keine Wegweiser gab.

Ich habe Jan im Dezember 1984 kennengelernt, als ich meine erste Turnierpartie außerhalb meiner Schulschachaktivitäten ausgerechnet gegen ihn spielen durfte und schnell die Segel streichen musste. Sein kompromissloser Angriffsstil zog mich in sofort in seinen Bann und Jan war in gewissem Sinne mein erster ,,Schachheld“. Die Jahre 1984-1986 zählen zu seinen stärksten, so wurde er unter anderem 1986 offener Flensburger Stadtmeister und mehrfacher Stadtmeister im Blitzschach. Wir verbrachten in den Monaten vor meinem Studienbeginn im April 1985 häufig gemeinsame Zeit am  Schachbrett. Ich selbst konnte weniger mit meiner schachlichen Expertise punkten als mit dem Besitz zweier spielstarker Schachcomputer. Jan spielte gegen die Elektronikgehirne , erklärte die Pläne und Varianten und gab mir als Bonus zu dem großen Unterhaltungswert ganz nebenbei Schachunterricht.

Sein unkonventionelles äußeres Erscheinungsbild gehörte zu ihm wie sein trockener Humor.

Mit meinem studienbedingten Ortswechsel im April 1985 verflüchtigte sich leider der Kontakt. Ich habe Jan dann erst im Januar 2020 anlässlich der ersten Runde der offenen Flensburger Stadtmeisterschaft wiedergetroffen. Ich konnte ihm gegenüber mein Erstaunen nicht zurückhalten, ihn lebend anzutreffen, hatte ich doch vor vielen Jahren Gerüchten Glauben geschenkt, die seine Todesumstände beschrieben. Jan, ob seiner Lebensumstände weit vorgealtert, bemerkte augenzwinkernd, dass viel nicht gefehlt habe, er sei dem Tod aber gerade noch entwischt. Details zu den Irrungen und Wirrungen seines Lebenslaufs wollte Jan nicht offenbaren. Der Blick zurück schien zu viele Wunden aufzureißen.

Im Anschluss  an die offene Flensburger Stadtmeisterschaft im Blitzschach im Juni 2022, in der Jan noch einmal mit einem 2.Platz glänzen konnte, vertiefte sich unser Kontakt erneut, vor allem durch den regelmäßigen Austausch auf Lichess. Jan hatte nach ewig langer Schachpause auf diesem Portal im Mai 2019 zurück zum Schach gefunden und bis kurz vor seinem Tod die unfassbare Zahl von über 150000 Onlinepartien gespielt, hauptsächlich Bullet und Blitz. Besonders schöne Gewinnpartien oder Remiswendungen  gegen starke Titelträger schickte er mir regelmäßig, versehen mit kurzen Textanmerkungen. Ihm kam es beim Online-Schachspiel nicht auf die Wertungszahl an. Die Beschäftigung mit Schach ließ ihn in einer Welt leben, die der Vergangenheit keinen Raum gab.

Jans letzte Turnierpartie seines Lebens spielte er – und hier schließt sich der Kreis –  gegen mich in der 7. und letzten Runde der offenen Vereinsmeisterschaft in Gråsten. Obwohl er körperlich angeschlagen war, trat er zur Partie an. Nach der Partie, er hatte mir in besserer Stellung Remis angeboten, war er fix und fertig. Er hätte, so schrieb er mir danach, keine weitere Minute spielen können. Schach war für ihn Kampf. Jan nahm sein Schicksal und seine finale Diagnose an, wünschte sich aber die Zeit, um noch das eine oder andere Tagesturnier und auch die offene Flensburger Stadtmeisterschaft im Blitzschach spielen zu können. In seiner letzten Nachricht an mich vom 25.05. wusste er, dass die Zeit nicht reichen würde und ließ liebe Grüße an die Schachfreunde vom FSK ausrichten.

Ich wünsche Jan den gesuchten Seelenfrieden. Er wird  mir und vielen anderen unvergessen bleiben.

Henrik Andresen

 

 

 

One thought on “Nachruf auf Jan Madsen

  1. Bin zufällig auf Eurer Vereinsseite gelandet.Sehr bewegender Bericht über Jan.
    Ich kannte ihn nicht, würde aber gerne ihn über lichess aufleben lassen.
    Wie war dort sein Name?

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